Der psychosomatische Humbug


Wenn ein Arzt bei einem Patienten mit seinem Latein am Ende ist, gesteht er es nicht ein und sagt nicht etwa: "Lieber Patient, bei Ihnen weiß ich jetzt leider nicht weiter. Ich weiß es einfach nicht". Nein, er mystifiziert seine Beschwerden und Probleme, unterstellt ihnen eine "seelische Herkunft und Natur" und schickt ihn zum Psychiater, zum Psychologen, zum Psychotherapeuten oder neuerdings zum Psychosomatiker, damit sie die verborgenen Geheimnisse seines Gesundheitszustands ergründen mögen. Aber was oder wer ist ein Psychosomatiker? Die griechischen Wörter "Psyche" und "Soma" bedeuten der Reihe nach "Seele" und "Körper". Die Psychosomatik ist ein uneinheitliches Sammelsurium von einander widersprechenden Lehrmeinungen darüber, dass Krankheiten - auch - durch die Einwirkung der Seele auf den Körper entstehen können und entstehen. Ein Psychosomatiker ist ein Anhänger und Praktiker einer solchen Lehrmeinung. Dabei gibt es in der Medizin philosophisch nichts Problematischeres und Zweifelhafteres als gerade die Psychosomatik.

Das Sammelsurium der voneinander abweichenden Lehrmeinungen und Schulen der heutigen Psychosomatik entstand bereits am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, kurz nachdem Sigmund Freud im Jahre 1900 seine Psychoanalyse, auch Tiefenpsychologie genannt, ins Leben gerufen hatte (Stichwort: "Der Ödipuskomplex"). Auf der Grundlage der wie das Unkraut wildwuchernden psychoanalytischen Theorie(n) wurde - außer den 'seelischen Störungen' auch - der gesamte Körper und wurden alle seine krankhaften Veränderungen, angefangen vom Knochenbruch durch Unfall bis zu den Infektionskrankheiten und dem Krebs, psychoanalytisch gedeutet, erklärt und behandelt! So wurde die Psychosomatik geboren. Natürlich konnte auf diesem Boden der uferlosen Phantasie und undisziplinierten Spekulation am Schreibtisch nichts Vernünftiges gedeihen. Und so ist es auch unverändert bis heute geblieben. Alles, wofür die Ärzte keine akzeptablen Diagnosen und Therapievorschläge haben, wird als etwas Psychosomatisches kategorisiert und behandelt. Die Psychosomatik ist in der Medizin die Lückenbüßerin des ernstzunehmenden Wissens darüber, was vorliegt und was zu tun ist. Davon kann man sich anhand des folgenden Standardwerks der Psychosomatik des deutschen Psychosomatikpapstes Thure von Uexküll (1908-2004) leicht überzeugen: Grundfragen der psychosomatischen Medizin (Rowohlt Taschenbuchverlag). Ich habe es als ein Medizinstudent bereits im August 1963, als es gerade in seiner Erstauflage herausgekommen war, gründlich studiert. Welch abstruse Psychotheorien Thure von Uexküll in diesem richtungweisenden Manifest herbemüht, um die Entstehung der Magenschleimhautentzündung und des Magen- und Zwölffingerdarmgeschwürs zu erklären und entsprechende Psychotherapien zu empfehlen! Aber inzwischen wissen wir alle seit 1983, dass allein ein Bakterium die Wurzel des Übels ist und durch Antibiotica innerhalb von nur einer Woche erfolgreich behandelt werden kann: Helicobacter pylori.

Das 'gemeine' Magen- und Zwölffingerdarmgeschwür ist also eine örtlich begrenzte Infektionskrankheit des Verdauungskanals. Die Unkenntnis dieser Tatsache hat seit wenig später als 1900 ganze Hirne und Bibliotheken in der Welt mit dem psychosomatischen Humbug der Psychomissionare gefüllt und ungezählte Patienten zu Opfern davon werden lassen. Wir erinnern uns: Meine Ärzte, jeweils Koryphäen ihres Fachgebiets, hatten mir auch empfohlen, mich wegen meiner Herzrhythmusstörungen diesem psychosomatischen Humbug zu unterziehen. Aber ich tat es nicht (→ Aus eigener Erfahrung).

Was aber war nun die Ursache meiner Herzrhythmusstörungen und meiner anderen Beschwerden? Schlicht und einfach: Die Übersäuerung meines Körpers durch falsche Ernährung. Sie wurde verstärkt durch eine Schwäche der Verdauungsfunktion meiner Bauchspeicheldrüse. Denn infolge des Fehlens des von dieser Drüse in den Zwölffingerdarm abgesonderten, sehr stark basischen Bauchspeichels wurde die hochkonzntrierte Magensalzsäure in meinem Verdauungstrakt nicht neutralisiert (→ Lexikon). Sie wurde von meinem Körper wieder aufgenommen. Näheres über dieses verbreitete, jedoch den Ärzten kaum bekannte und von ihnen ignorierte Phänomen mit schwerwiegenden Folgen für den Säure-Basen-Haushalt des Körpers siehe später. Gehen wir jetzt dem Konzept der basischen Ernährung schrittweise nach!

© 2017 - Prof. Dr. med. Kazem Sadegh-Zadeh, Tecklenburg